Am 08.01.2014 hatte der Bundesgerichtshof erneut über die Berechtigung einer Filesharing-Abmahnung der Rechtsanwaltskanzlei Rasch für die Musikindustrie zu entscheiden (Az.: I ZR 169/12). Konkret ging es um die Erstattung von Kosten für eine Abmahnung in Höhe von EUR 2.841,00. Unser Mandant als Beklagter und Revisionsführer hatte mit dem Filesharing selbst nichts zu tun. Stattdessen hat sein 20-jähriger Stiefsohn ohne sein Wissen die Tat begangen. Die Kanzlei Rasch forderte dennoch vom Beklagten die Erstattung der Abmahnkosten, weil dieser seine Verpflichtung verletzt habe, den (volljährigen) Stiefsohn hinreichend über die Rechtswidrigkeit der Nutzung von Internettauschbörsen zu belehren.
Der Senat stellte zunächst klar, dass als Anspruchsgrundlage allenfalls eine Haftung aus sog. Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht komme. Die Rechtsverletzung ereignete sich im Jahre 2006, die Abmahnung erfolgte im Jahre 2007. Sofern danach der § 97 a UrhG (alte Fassung) eingeführt wurde, käme dieser nicht zur Anwendung. Damit scheide im vorliegenden Fall auch eine Deckelung der Abmahnkosten auf EUR 100,00 aus.
Gemäß den Feststellungen der Vorinstanzen sei auszuschließen, dass der Beklagte als Täter haftbar sei. In Betracht käme allenfalls eine Störerhaftung. Dem Grunde nach bestehe ein Anspruch auf Abmahnkostenerstattung, wenn zum Zeitpunkt der Abmahnung ein Unterlassungsanspruch bestand und die Abmahnung als solche berechtigt gewesen ist.
Zu den Anforderungen an eine formell wirksame Abmahnung ging der Senat davon aus, dass hierfür nicht erforderlich gewesen sein soll, dass in der Abmahnung für mehrere Tonträgerunternehmen und zahlreiche Musiktitel die einzelnen Titel jeweils dem jeweiligen Rechteinhaber zugeordnet gewesen sind. Dies sei für eine wirksame Abmahnung nicht erforderlich. Ebenso sei es nicht erforderlich, in der Abmahnung und/oder der vorgefertigten und der Abmahnung beigefügten Unterlassungserklärung konkret die Art der Tatbegehung (Täter und/oder Mittäter und/oder Störer) zu benennen. Die Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung sei ausreichend, auch wenn hierbei nicht konkret auf die hier allein vorliegende Störerhaftung abgestellt worden sei.
Die Klägerinnen seien nicht gehalten gewesen, solche Abmahnungen selbst auszusprechen. Die Beauftragung eines Rechtsanwaltes sei insofern legitim.
Etwas ausführlicher befasste sich der Senat mit dem Vortrag, dass auf Seiten der Klägerinnen mit den Klägervertretern unzulässige Erfolgshonorare für die Aussprache dieser Abmahnung vereinbart worden seien. Dies wäre wegen Verstoßes gegen die Bundesrechtsanwaltsordnung unzulässig. Die Vorinstanz hatte dies jedoch dahinstehen lassen, da auch in diesem Fall dann zumindest die gesetzliche Vergütung von den Auftraggebern an deren Rechtsanwalt geschuldet sei. Diese Vergütung sei in der Höhe entstanden, in der die Forderung beim Beklagten geltend gemacht wurde. Der Senat wies an diesem Punkt darauf hin, dass dies zwar so sein könne. Anders würde der Fall jedoch liegen, wenn die Vereinbarung eines erfolgsbezogenen Honorars einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstelle. Dieser Verstoß könne sowohl im Verhältnis zwischen Klägerinnen und Klägervertreter vorliegen, als auch, da hier Ansprüche auf Grundlage von Geschäftsführung ohne Auftrag geltend gemacht werden, im Verhältnis zwischen der Klägerseite und dem Beklagten. Zu klären wäre demnach, ob es einen Verstoß gegen Treu und Glauben zulasten des Beklagten darstellt, wenn zwischen Klägervertreter und Klägerinnen unzulässige Erfolgshonorare vereinbart worden sein sollten. Allerdings gab der Senat zu bedenken, dass in diesem Fall eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof direkt nicht erfolgen könne. Die Rechtssache müsse dann zur weiteren Verhandlung an die Vorinstanz zurück verwiesen werden.
Auch zur Frage der Verjährung äußerte sich der Senat nur relativ kurz. Von Beklagtenseite war vor allem geltend gemacht worden, dass die Gebührenforderung der Kanzlei Rasch gegenüber den Klägerinnen im Innenverhältnis nicht innerhalb der Verjährungsfrist von drei Jahren geltend gemacht und beglichen wurde. Da somit bereits in diesem Verhältnis Verjährung bezüglich der Abmahnkosten eingetreten sei, könnten diese Kosten auch nicht mehr beim Beklagten eingeklagt werden. Der Senat vertrat jedoch die Auffassung, es liege nahe, dass durch die Erteilung eines Klageauftrags seitens der Klägerinnen an die Kanzlei Rasch ein Anerkenntnis der Abmahnkosten erfolgt sei.
Der eigentliche Knackpunkt der Rechtssache lag jedoch bei der Frage der Störerhaftung. Die Argumentation des Revisionsführers legte ihr Augenmerk darauf, dass ein Internetanschluss kein gefährliches Werkzeug sei. Vielmehr ist ein Internetanschluss eine ganz alltägliche Sache, mit der man zwar auch Urheberrechtsverletzung und Filesharing begehen könne. Rechtsverletzungen jeglicher Art könne man jedoch auch mit anderen Gegenständen und Sachen begehen. Es müsse insofern eine Parallele gezogen werden zu beispielsweise einem Telefonanschluss. Auch über einen Telefonanschluss könnten Rechtsverletzungen wie etwa Beleidigungen begangen werden. Selbst ein Wasser- oder Stromanschluss ermögliche die Verwendung dieses Anschlusses zur Begehung von Rechtsverletzungen. Dennoch sei es abwegig, in all diesen Fällen anlasslose Instruktionspflichten des Anschlussinhabers anzunehmen. Etwas anderes gelte wohl im Falle einer elterlichen Aufsichtspflicht. Hierzu hatte der BGH sich bereits im sog. Morpheus-Urteil geäußert. Vorliegend gehe es jedoch um volljährige andere Personen. Wer seinen Internetanschluss solchen anderen Personen zur Verfügung stellt, muss zunächst davon ausgehen können, dass diese selbst die erforderliche Einsichtsfähigkeit besitzen und sich rechtstreu verhalten. Zu berücksichtigen sei zudem, dass im vorliegenden Fall und in vielen vergleichbaren Fällen auch ein familiärer Verbund vorliegt. Dies sei ein durch Art. 6 GG (Grundgesetz) besonders geschützter Vertrauensbereich. Die Annahme anlassloser Instruktions- und Überwachungspflichten innerhalb dieses geschützten Bereichs würden das Vertrauensverhältnis innerhalb einer Familie belasten.
Die Revisionsbeklagten stellten dem entgegen, dass auch gegenüber volljährigen Mitnutzern und wie hier insbesondere noch jungen Erwachsenen trotzdem und ohne konkreten Anlass gewisse Instruktions- und Belehrungspflichten bestünden. Im vorliegenden konkreten Fall sei zudem zu berücksichtigen, dass der beklagte Anschlussinhaber aufgrund seiner Tätigkeit als Polizist im Bereich der Online-Ermittlung und Internetkriminalität eine besonders erhöhte Kompetenz in diesem Bereich besaß. Er sei daher im besonderen Maße verpflichtet gewesen, den insoweit weniger aufgeklärten Stiefsohn zu belehren.
Zu dem letzten Punkt äußerte sich der Senat ebenfalls kurz und stellte klar, dass es eher fern liege, eine erhöhte Instruktionspflicht für Personen anzunehmen, die aufgrund eigener Kenntnisse eine höhere Kompetenz in diesem Bereich besäßen, als andere.
Die Revision unseres Mandanten war letztlich in vollem Umfang erfolgreich. Der Bundesgerichtshof hob die Urteile der Vorinstanzen auf und wies die Klage vollständig zurück (BGH Urteil vom 08.01.2014, Az.: I ZR 169/12 – BearShare).