OLG Hamm stärkt das Urheberrecht von Zeitungsfotografen

Einem freien hauptberuflichen Journalisten, der einem Verlag in Tageszeitungen veröffentlichte Fotobeiträge für 10 Euro netto pro Beitrag zur Verfügung stellt, kann ein Nachvergütungsanspruch nach § 32 Urheberrechtsgesetz (UrhG) zustehen. Dieser kann auch für die Jahre 2010 bis 2012 entsprechend den Gemeinsamen Vergütungsregeln zu Bildhonoraren für freie hauptberufliche Journalisten und Journalistinnen zu berechnen sein.

Das hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm mit Urteil vom 11.02.2016 unter weitgehender Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung des Landgerichts Bochum entschieden.

Der Kläger, ein Journalist aus Hagen, war seit 2000 für den beklagten Zeitungsverlag aus Essen als Fotograf tätig. Er lieferte auf Aufforderung der Beklagten im Wesentlichen Bildbeiträge aus dem Märkischen Kreis, die die Beklagte in verschiedenen Ausgaben von ihr verlegter Tageszeitungen veröffentlichte. Für diese erhielt er unabhängig von der Größe des veröffentlichten Bildes und der Auflagenstärke der jeweiligen Zeitung ein Netto-Honorar von 10 Euro. Im Jahre 2010 veröffentlichte die Beklagte 1.329 Bildbeiträge des Klägers, 2011 1.277 Bildbeiträge und 2012 891 Bildbeiträge.

Im Rechtsstreit hat der Kläger von der Beklagten eine Nachvergütung für diese Bildbeiträge gemäß § 32 UrhG verlangt und diese nach den Gemeinsamen Vergütungsregeln zu Bildhonoraren für freie hauptberufliche Journalisten und Journalistinnen – abzüglich der gezahlten Beträge – berechnet. Die Gemeinsamen Vergütungsregeln bemessen die Bildhonorare nach der Größe des Bildes und der Auflagenstärke der Zeitung, wobei die Netto-Honorare für Erstdruckrechte zwischen 19,50 Euro (kleiner als einspaltige Fotos in einer Auflage bis 10.000) und 75,50 Euro (vierspaltige Fotos und größer in einer Auflage über 200.000) liegen. Die Vergütungsklage war erfolgreich.

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat dem Kläger gemäß § 32 UrhG eine Nachvergü- tung von insgesamt ca. 79.000 Euro zugesprochen. Der Kläger sei, so der Senat, Urheber der gelieferten Fotobeiträge, die Beklagte sein Vertragspartner. Ein vorrangiger Tarifvertrag stehe dem Anspruch nicht entgegen. Bis 2012 sei der Kläger kein Mitglied des Deutschen Journalisten-Verbandes gewesen. Für die vom Kläger in den Jahren 2010 bis 2012 gelieferten Fotobeiträge habe die Beklagte mit netto 10 Euro pro Beitrag kein angemessenes Honorar gezahlt. Insoweit sei der Vertrag der Parteien anzupassen, wobei der Kläger unmittelbar auf Zahlung der angemessenen Vergütung klagen könne. Die Gemeinsamen Vergütungsregeln zu Bildhonoraren für freie hauptberufliche Journalisten und Journalistinnen seien zwar erst im Jahre 2013 in Kraft getreten. Dennoch könnten sie als Vergleichsmaßstab einer angemessenen Vergütung herangezogen werden. Dabei seien im vorliegenden Fall die für das Einräumen eines Erstdruckrechts vorgesehenen Tarife maßgeblich. Denn die Beklagte habe dem Kläger die Aufträge ersichtlich in Erwartung einer ihr einzuräumenden Priorität der Veröffentlichung erteilt. Letztlich könnten sogar die tarifvertraglichen Vergütungsregeln als Orientierungshilfe dienen. Danach sei die vom Kläger verlangte Vergütung selbst dann angemessen, wenn ein Erstdruckrecht nicht vereinbart worden sei.

Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 11.02.2016 (4 U 40/15), nicht rechtskräftig (BGH I ZR 85/16).

Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 11.05.2016

Bundesgerichtshof konkretisiert Pflichten des Betreibers eines Bewertungsportals

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 01.03.2016 (Az.: VI ZR 34/15) die Pflichten des Betreibers eines Ärztewertungsportals konkretisiert:

Der Kläger ist Zahnarzt. Die Beklagte betreibt unter der Internetadresse www.jameda.de ein Portal zur Arztsuche und -bewertung. Dort können Interessierte Informationen über Ärzte aufrufen. Registrierten Nutzern bietet das Portal zudem die Möglichkeit, die Tätigkeit von Ärzten zu bewerten. Die Bewertung, die der jeweilige Nutzer ohne Angabe seines Klarnamens abgeben kann, erfolgt dabei anhand einer sich an Schulnoten orientierenden Skala für insgesamt fünf vorformulierte Kategorien, namentlich „Behandlung“, „Aufklärung“, „Vertrauensverhältnis“, „genommene Zeit“ und „Freundlichkeit“. Ferner besteht die Möglichkeit zu Kommentaren in einem Freitextfeld.

Gegenstand der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist die Bewertung des Klägers durch einen anonymen Nutzer, er könne den Kläger nicht empfehlen. Als Gesamtnote war 4,8 genannt. Sie setzte sich aus den in den genannten Kategorien vergebenen Einzelnoten zusammen, darunter jeweils der Note „6“ für „Behandlung“, „Aufklärung“ und „Vertrauensverhältnis“. Der Kläger bestreitet, dass er den Bewertenden behandelt hat.

Der Kläger forderte die Beklagte vorprozessual zur Entfernung der Bewertung auf. Diese sandte die Beanstandung dem Nutzer zu. Die Antwort des Nutzers hierauf leitete sie dem Kläger unter Hinweis auf datenschutzrechtliche Bedenken nicht weiter. Die Bewertung beließ sie im Portal.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten, es zu unterlassen, die dargestellte Bewertung zu verbreiten oder verbreiten zu lassen. Das Landgericht hat der Klage stattgeben; das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Der für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat diese Entscheidung aufgehoben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die beanstandete Bewertung ist keine eigene „Behauptung“ der Beklagten, weil diese sie sich inhaltlich nicht zu eigen gemacht hat. Die Beklagte haftet für die vom Nutzer ihres Portals abgegebene Bewertung deshalb nur dann, wenn sie zumutbare Prüfungspflichten verletzt hat. Deren Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem Gewicht der beanstandeten Rechtsverletzung, den Erkenntnismöglichkeiten des Providers sowie der Funktion des vom Provider betriebenen Dienstes zu. Hierbei darf einem Diensteanbieter keine Prüfungspflicht auferlegt werden, die sein Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährdet oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschwert.

Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte ihr obliegende Prüfpflichten verletzt. Der Betrieb eines Bewertungsportals trägt im Vergleich zu anderen Portalen von vornherein ein gesteigertes Risiko von Persönlichkeitsrechtsverletzungen in sich. Diese Gefahr wird durch die Möglichkeit, Bewertungen anonym oder pseudonym abzugeben, verstärkt. Zudem erschweren es derart verdeckt abgegebene Bewertungen dem betroffenen Arzt, gegen den Bewertenden direkt vorzugehen. Vor diesem Hintergrund hätte die beklagte Portalbetreiberin die Beanstandung des betroffenen Arztes dem Bewertenden übersenden und ihn dazu anhalten müssen, ihr den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben. Darüber hinaus hätte sie den Bewertenden auffordern müssen, ihr den Behandlungskontakt belegende Unterlagen, wie etwa Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien, möglichst umfassend vorzulegen. Diejenigen Informationen und Unterlagen, zu deren Weiterleitung sie ohne Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TMG in der Lage gewesen wäre, hätte sie an den Kläger weiterleiten müssen. Im weiteren Verfahren werden die Parteien Gelegenheit haben, zu von der Beklagten ggf. ergriffenen weiteren Prüfungsmaßnahmen ergänzend vorzutragen.

Vorinstanzen:

LG Köln – 28 O 516/13 – Entscheidung vom 09. Juli 2014;
OLG Köln – 15 U 141/14 Entscheidung vom 16. Dezember 2014

§ 12 Abs. 1 TMG lautet:

Grundsätze
(1) Der Diensteanbieter darf personenbezogene Daten zur Bereitstellung von Telemedien nur erheben und verwenden, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht, es erlaubt oder der Nutzer eingewilligt hat.
(2)…(3)…

Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 01.03.2016

Wettbewerbsrechtliche Haftung für Links

Gleich zu Beginn des Jahres wurden nunmehr die Entscheidungsgründe des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 18.06.2015, Az.: l ZR 74/14 – „Haftung für Hyperlink“, veröffentlicht.

Das Urteil beschäftigt sich ausführlich mit der Frage, ob bzw. unter welchen Umständen ein Unternehmer für das Setzen eines sogenannten Hyperlinks auf die Webseite eines Dritten haftet, wenn auf der Webseite des Dritten wettbewerbswidrige Inhalte abrufbar sind.

Zunächst die gute Nachricht: Auch wenn das Setzen eines Links eine geschäftliche Handlung darstellen kann begründet allein die Setzung eines solchen Links noch keine generelle Verantwortlichkeit für die dort abrufbaren Inhalte.

Allerdings kann sich unter gewissen Voraussetzungen gleichwohl eine Haftung ergeben:

Zum einen, wenn sich der Unternehmer die Informationen auf der verlinkten Webseite zu Eigen macht, weil die dortigen Ausführungen gezielt zur eigenen Werbung eingesetzt werden. In diesem Fall haftet der Unternehmer für die verlinkten Inhalte wie für eigene Inhalte und damit unmittelbar als sogenannter Störer.

Zum anderen kann dem Unternehmer, der auf eine Webseite Dritter verlinkt, unter gewissen Umständen eine Verletzung von Prüfpflichten vorgeworfen werden. Zu dem Umfang dieser Prüfpflichten führt der Bundesgerichtshof in Tz. 24 des Urteils aus:

„Der Umfang der Prüfungspflichten, die denjenigen treffen, der einen Hyperlink setzt oder aufrechterhält, richtet sich insbesondere nach dem Gesamtzusammenhang, in dem der Hyperlink verwendet wird, dem Zweck des Hyperlinks sowie danach, welche Kenntnis der den Link Setzende von Umständen hat, die dafür sprechen, dass die Webseite oder der Internetauftritt, auf die der Link verweist, rechtswidrigem Handeln dienen, und welche Möglichkeiten er hat, die Rechtswidrigkeit dieses Handelns in zumutbarer Weise zu erkennen. Auch dann, wenn beim Setzen des Hyperlinks keine Prüfungspflicht verletzt wird, kann eine Haftung begründet sein, wenn ein Hyperlink aufrechterhalten bleibt, obwohl eine nunmehr zumutbare Prüfung, etwa nach einer Abmahnung oder Klageerhebung, ergeben hätte, dass mit dem Hyperlink ein rechtswidriges Verhalten unterstützt wird.“

Mit anderen Worten:

Wer einen Link zu einer Webseite eines Dritten setzt, muss sich diese Webseite des Dritten zumindest anschauen.

Ist eine Rechtsverletzung oder ein Wettbewerbsverstoß auf der Seite des Dritten nicht offensichtlich erkennbar, kann verlinkt werden.

Wird der Unternehmer dann z.B. aufgrund einer Abmahnung oder eines Anschreibens darauf aufmerksam gemacht, dass sich auf der Webseite des Dritten wettbewerbswidrige oder sonstige rechtsverletzende Inhalte befinden, muss er die Sache erneut prüfen.

Entfernt der Unternehmer dann den Link, hat er alles getan, was getan werden musste. Er muss insbesondere keine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgeben und die Kosten der Abmahnung nicht ersetzen.

Wird der Link aber nicht entfernt, haftet der Unternehmer ab diesem Zeitpunkt für die verlinkten Inhalte wie für eigene Inhalte.

Der Bundesgerichtshof hat damit die Haftung für das Setzen eines Links ausgestaltet wie die Haftung von Foren- und Chat-Betreiber bzw. für Betreiber von Social-Media-Plattformen, die üblicherweise auch erst dann haften, wenn sie auf eine Rechtsverletzung aufmerksam gemacht wurden und trotz Hinweis die Rechtsverletzung nicht entfernen.

Löschungspflicht nach abgegebener Unterlassungserklärung umfasst auch die Entfernung aus dem Google Cache

Das OLG Düsseldorf hat mit Urteil vom 03.09.2015, Az.: I-15 U 119/14, entschieden, dass derjenige, der eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgibt, verpflichtet ist, alles Erforderliche zu tun, damit eine Zuwiderhandlung unterbleibt.

Nach Auffassung des OLG gehört dazu auch, dass der Abgemahnte Dritte über die übernommene Verpflichtung informiert und entsprechende Anordnungen zur Sicherstellung der Einhaltung der Verpflichtung trifft und diese dann überwacht.  Dies umfasst nach Meinung des Gerichts auch die Löschung aus dem Google Cache:

„Der Beklagte war aufgrund der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 05.01.2012 auch verpflichtet, die Suchmaschine Google zur Löschung der streitgegenständlichen Einträge, auch aus dem Cache, aufzufordern.“

Die beanstandete Werbung war über den Google Cache weiterhin auffindbar, so dass das Gericht einen Verstoß und damit die Verwirkung einer Vertragsstrafe bejahte.

Dieses Urteil zeigt, wie sorgfältig derjenige agieren muss, der eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgibt und wie schnell eine Vertragsstrafe gezahlt werden muss, wenn nicht alles getan wird, um die Verletzungshandlung zu beseitigen. Dies wiederum kann dafür sprechen, dass es in manchen Fällen besser sein kann, keine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben und stattdessen eine einstweilige Verfügung gegen sich ergehen zu lassen.

Bundesgerichtshof zur urheberrechtlichen Zulässigkeit des „Framing“

Urteil vom 9. Juli 2015 – I ZR 46/12 – Die Realität II

Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass der Betreiber einer Internetseite keine Urheberrechtsverletzung begeht, wenn er urheberrechtlich geschützte Inhalte, die auf einer anderen Internetseite mit Zustimmung des Rechtsinhabers für alle Internetnutzer zugänglich sind, im Wege des „Framing“ in seine eigene Internetseite einbindet.

Die Klägerin, die Wasserfiltersysteme herstellt und vertreibt, ließ zu Werbezwecken einen etwa zwei Minuten langen Film mit dem Titel „Die Realität“ herstellen, der sich mit der Wasserverschmutzung befasst. Sie ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an diesem Film. Der Film war – nach dem Vorbringen der Klägerin ohne ihre Zustimmung – auf der Videoplattform „YouTube“ abrufbar.

Die beiden Beklagten sind als selbständige Handelsvertreter für ein mit der Klägerin im Wettbewerb stehendes Unternehmen tätig. Sie unterhalten jeweils eigene Internetseiten, auf denen sie für die von ihnen vertriebenen Produkte werben. Im Sommer 2010 ermöglichten sie den Besuchern ihrer Internetseiten, das von der Klägerin in Auftrag gegebene Video im Wege des „Framing“ abzurufen. Bei einem Klick auf einen Link wurde der Film vom Server der Videoplattform „YouTube“ abgerufen und in einem auf den Webseiten der Beklagten erscheinenden Rahmen („Frame“) abgespielt.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagten hätten das Video damit unberechtigt öffentlich zugänglich gemacht. Sie hat die Beklagten daher auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von je 1.000 € an die Klägerin verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht hat, so der BGH, mit Recht angenommen, dass die bloße Verknüpfung eines auf einer fremden Internetseite bereitgehaltenen Werkes mit der eigenen Internetseite im Wege des „Framing“ kein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne des § 19a UrhG** darstellt, weil allein der Inhaber der fremden Internetseite darüber entscheidet, ob das auf seiner Internetseite bereitgehaltene Werk der Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Eine solche Verknüpfung verletzt auch bei einer im Blick auf Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft*** gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 15 Abs. 2 UrhG* grundsätzlich kein unbenanntes Verwertungsrecht der öffentlichen Wiedergabe. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf das im vorliegenden Rechtsstreit eingereichte Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs ausgeführt, es liege keine öffentliche Wiedergabe vor, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt würden, die auf einer anderen Internetseite mit Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber für alle Internetnutzer frei zugänglich seien. Das gelte auch dann, wenn das Werk bei Anklicken des bereitgestellten Links in einer Art und Weise erscheine, die den Eindruck vermittele, dass es auf der Seite erscheine, auf der sich dieser Link befinde, obwohl es in Wirklichkeit einer anderen Seite entstamme.

Den Ausführungen des EuGH ist nach Ansicht des BGH allerdings zu entnehmen, dass in solchen Fällen eine öffentliche Wiedergabe erfolgt, wenn keine Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers vorliegt. Danach hätten die Beklagten das Urheberrecht am Film verletzt, wenn dieser ohne Zustimmung des Rechtsinhabers bei „YouTube“ eingestellt war. Dazu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Der BGH hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann.

Der Bundesgerichtshof hat erwogen, das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs in dem vom Hoge Raad der Niederlande am 7. April 2015 eingereichten Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C-160/15 – GS Media BV/Sanoma Media Netherlands BV u.a. auszusetzen. Der Hoge Raad hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob von einer öffentlichen Wiedergabe auszugehen ist, wenn das Werk auf der anderen Internetseite ohne Zustimmung des Rechtsinhabers zugänglich gemacht worden ist. Der BGH hat gleichwohl von einer Aussetzung des Verfahrens abgesehen. Mit einer Entscheidung des EuGH in dem ihm vom Hoge Raad vorgelegten Verfahren ist frühestens in einem Jahr zu rechnen. Auf die dem EuGH in jenem Verfahren gestellte Frage kommt es im vorliegenden Verfahren nur an, wenn der Film ohne Zustimmung des Rechtsinhabers bei „YouTube“ eingestellt war. Es ist daher nicht angebracht, das Verfahren ohne Klärung der Frage auszusetzen, ob der Film ohne Zustimmung des Rechtsinhabers bei „YouTube“ eingestellt war.

EuGH – Beschluss vom 21. Oktober 2014 – C-348/13, GRUR 2014, 1196 = WRP 2014, 1441 – BestWater International/Mebes und Potsch

BGH – Beschluss vom 16. Mai 2013 – I ZR 46/12, GRUR 2013, 818 = WRP 2013, 1047 – Die Realität I,

OLG München – Urteil vom 16. Februar 2012 – 6 U 1092/11, ZUM-RD 2013, 398

LG München I – Urteil vom 2. Februar 2011 – 37 O 15777/10

Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 9. Juli 2015

*§ 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2 UrhG

Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Das Recht der öffentlichen Wiedergabe umfasst insbesondere […] das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a).

**§ 19a UrhG

Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.

***Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG

Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.

Die „Kicker“-Bundesliga-Stecktabelle und das Urheberrecht

Das OLG Nürnberg (Urteil vom 20.5.‌20143 U 1874/13, BeckRS 2014, 11857 – Fußball-Stecktabelle) musste über etwas entscheiden, was jeder Fußballfan kennt: die Kicker-Stecktabelle, die jedes Jahr in den Kicker-Sonderheften zur Bundesliga enthalten ist.

In der Zeitschrift „TV Digital“ war nun ebenfalls ebenfalls eine Bundesliga-Stecktabelle mit kleineren grafischen Abweichungen sowie der deutlich sichtbaren Bezeichnung „tv DIGITAL“ enthalten.

Der „Kicker“ ging dagegen vor – und verlor.

Das Gericht wies sowohl die geltend gemachten urheber- als auch wettbewerbsrechtlichen Ansprüche zurück.

Urheberrechtlich nimmt das OLG auf die neue Rechtsprechung des BGH zur Schutzfähigkeit von Werken der angewandten Kunst Bezug und ordnet die Stecktabelle als ein solches Werk ein, das eine geringe Gestaltungshöhe aufweise, aber dennoch schutzfähig sei. Ausschlaggebend seien, so das Gericht, die „Anordnung der Tabellenplätze nebeneinander und in leicht schräg nach rechts unten verlaufender Linie sowie der Anordnung der Tabellen für die Ligen untereinander“. Allerdings führe die geringe Gestaltungshöhe zu einem entsprechend engen Schutzbereich. Dieser sei vorliegend nicht verletzt. Daher stelle die angegriffene Stecktabelle aus „tv DIGITAL“ eine  freie Benutzung der Stecktabelle des „Kicker“ dar.

Wettbewerbsrechtliche Ansprüche verneint das OLG Nürnberg, weil aufgrund der gut sichtbaren Bezeichnung „tv DIGITAL“ keine Rufausbeutung vorliege.

BGH ändert Rechtsprechung zum urheberrechtlichen Schutz von angewandter Kunst

Der BGH hat mit Urteil vom 13.11.2013, Az.: I ZR 143/12 – „Geburtstagszug“, seine Rechtsprechung zu den Voraussetzungen von urheberrechtlichem Schutz für angewandte Kunst geändert.

Worum geht es?

Um den urheberrechtlichen Schutz von angewandter Kunst. Unter den Begriff der angewandten Kunst fällt vor allem das Design von Gebrauchsgegenständen, also das Produktdesign, wie aber auch das Grafik- und Webdesign.

Was galt bisher?

Anders als bei Werken der sog. schönen Kunst legte die Rechtsprechung bislang an den urheberrechtlichen Schutz der angewandten Kunst sehr hohe Maßstäbe an. Nach der bisherigen Formel der Rechtsprechung gab es urheberrechtlichen Schutz für solche Werke nur dann, wenn sich ein „deutliches Überragen einer Durchschnittsgestaltung“ zeigte. Grund für diese hohe Schutzvoraussetzung war nach der Rechtsprechung des BGH die Tatsache, dass neben dem Urheberrechtsschutz auch ein Geschmacksmusterschutz für diese Produkte möglich war. Um den Urheberrechtsschutz vom Geschmacksmusterschutz abzugrenzen, führte der BGH daher eine Zweistufigkeit ein: Das „normale“ Produktdesign fiel unter den Geschmacksmusterschutz. Nur dann, wenn ein „deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung“ vorlag, kam (ausnahmsweise) auch urheberrechtlicher Schutz solcher Designleistungen in Betracht. Dies führte in der Vergangenheit oft dazu, dass Produkt-, Grafik- und Webdesigner sich vor dem Problem sahen, dass für ihre Leistungen kein Urheberrechtsschutz gewährt wurde.

Was ändert sich nun?

Laut der bislang nur vorliegenden Presseerklärung des BGH sehr viel: Aufgrund einer Reform des Geschmacksmusterrechts im Jahre 2004 sieht der BGH kein „Zweistufigkeitsmodell“ zwischen Geschmacksmuster- und Urheberrechtsschutz mehr. Geschmacksmusterschutz kann also neben Urheberrechtsschutz bestehen. Der BGH entschloss sich daher, die Schutzvoraussetzungen für urheberrechtlichen Schutz im Bereich der angewandten Kunst zu senken und den Schutzvoraussetzungen anzupassen, die für andere Werkarten, wie z.B. für den Bereich der bildenden Kunst, der Lichtbildwerke oder der Musikwerke gilt. Danach ist auch die sog. kleine Münze geschützt, also die Gestaltung, die sich am unteren Rand der Schutzfähigkeit bewegt und gerade noch so geschützt ist.

Welche Auswirkungen kann das haben?

Diese Entscheidung kann weitreichende Folgen mit sich bringen: Bislang galt der Grundsatz, dass Designleistungen nur ausnahmsweise urheberrechtlich geschützt sind. Wahrscheinlich wird es zukünftig genau anders herum sein: In der Regel werden Designleistungen urheberrechtlich geschützt sein und nur ausnahmsweise nicht.

In Anbetracht der Tatsache, dass hier ein sehr weites Feld betroffen ist – vom Produkt-, über das Grafik-, bis hin zum Webdesign -, kann sich ein neues Feld der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Gebrauchsgegenständen eröffnen. Design von Schmuck, Möbeln, aber auch Logo-Gestaltungen, werden zukünftig häufiger urheberrechtschutzfähig sein.

Freuen wird das natürlich die Designer. Weniger freuen werden sich deren Auftraggeber. Gerade für diese wird es zukünftig (noch) wichtiger sein, den Rechteumfang klar zu regeln.

Sofern eine Designleistung urheberrechtlich geschützt ist, führt dies dann natürlich auch zu weiteren Folgen: Im Rahmen der Übertragung von Nutzungsrechten gilt die urheberfreundliche sog. Zweckübertragungsregel, wonach im Zweifel die Rechte beim Urheber verbleiben. Jeder Urheber hat einen Anspruch auf angemessene Vergütung bzw. bei einem besonderen Erfolg im Rahmen der Verwertung seines Werkes hat der Urheber einen Nachvergütungsanspruch nach dem sog. Bestsellerparagraph. Diese Regelungen werden sich nunmehr auch auf den Designbereich erstrecken und dort zu eventuell neuen Konflikten führen. So ist durchaus vorstellbar, dass ein Produkt- oder Grafikdesigner die Auffassung vertritt, dass aufgrund seines erfolgreichen Produktdesigns oder seines Logo-Designs er z.B. Nachvergütungsansprüche geltend machen wird. Ob die Rechtsprechung dies mitmachen wird, ist sicherlich offen.

Hier noch der Wortlaut der Pressemitteilung des BGH vom 13.11.2013 im Wortlaut:

Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass an den Urheberrechtschutz von Werken der angewandten Kunst grundsätzlich keine höheren Anforderungen zu stellen sind als an den von Werken der zweckfreien Kunst.

Die Klägerin ist selbständige Spielwarendesignerin. Die Beklagte stellt Spielwaren her und vertreibt sie. Die Klägerin zeichnete für die Beklagte im Jahr 1998 unter anderem Entwürfe für einen Zug aus Holz, auf dessen Waggons sich Kerzen und Ziffern aufstecken lassen („Geburtstagszug“). Dafür erhielt sie ein Honorar von 400 DM.

Die Klägerin ist der Ansicht, bei ihren Entwürfen handele es sich um urheberrechtlich geschützte Werke. Die vereinbarte Vergütung sei – jedenfalls angesichts des großen Verkaufserfolgs des Geburtstagszugs – zu gering. Sie nimmt die Beklagte deshalb auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung in Anspruch.

Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, die von der Klägerin angefertigten Entwürfe seien urheberrechtlich nicht geschützt. Nach der hergebrachten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seien bei Werken der angewandten Kunst, soweit sie einem Geschmacksmusterschutz zugänglich seien, höhere Anforderungen an die für einen urheberrechtlichen Schutz erforderliche Gestaltungshöhe zu stellen als bei Werken der zweckfreien Kunst. Die Entwürfe der Klägerin genügten diesen Anforderungen nicht. Auf die Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, soweit das Berufungsgericht einen Anspruch auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung in Bezug auf Verwertungshandlungen, die nach dem 1. Juni 2004 vorgenommen worden sind, abgelehnt hat.

In seiner früheren Rechtsprechung hatte der Bundesgerichtshof die höheren Anforderungen an die Gestaltungshöhe von Werken der angewandten Kunst, die einem Geschmacksmusterschutz zugänglich sind, damit begründet, dass für solche Werke der angewandten Kunst mit dem Geschmacksmusterrecht ein dem Urheberrecht wesensgleiches Schutzrecht zur Verfügung stehe. Da sich bereits die geschmacksmusterschutzfähige Gestaltung von der nicht geschützten Durchschnittsgestaltung abheben müsse, sei für die Urheberrechtsschutzfähigkeit ein noch weiterer Abstand, das heißt ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung zu fordern.

An dieser Rechtsprechung kann – so der Bundesgerichtshof – im Blick auf die Reform des Geschmacksmusterrechts im Jahr 2004 nicht festgehalten werden. Durch diese Reform ist mit dem Geschmacksmusterrecht ein eigenständiges gewerbliches Schutzrecht geschaffen und der enge Bezug zum Urheberrecht beseitigt worden. Insbesondere setzt der Schutz als Geschmacksmuster nicht mehr eine bestimmte Gestaltungshöhe, sondern die Unterschiedlichkeit des Musters voraus. Da zudem Geschmacksmusterschutz und Urheberrechtsschutz sich nicht ausschließen, sondern nebeneinander bestehen können, rechtfertigt der Umstand, dass eine Gestaltung dem Geschmacksmusterschutz zugänglich ist, es nicht, ihr den Urheberrechtsschutz zu versagen oder von besonderen Voraussetzungen abhängig zu machen. An den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst sind deshalb – so der Bundesgerichtshof – grundsätzlich keine anderen Anforderungen zu stellen als an den Urheberrechtsschutz von Werken der zweckfreien bildenden Kunst oder des literarischen und musikalischen Schaffens. Es genügt daher, dass sie eine Gestaltungshöhe erreichen, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer „künstlerischen“ Leistung zu sprechen. Dies gilt auch für die im Jahr 1998 angefertigten Entwürfe der Klägerin. Die Klägerin hat allerdings nach Ansicht des Bundesgerichtshofs keinen Anspruch auf Vergütung, soweit die Beklagte ihre Entwürfe vor dem Inkrafttreten des Geschmacksmusterreformgesetzes am 1. Juni 2004 verwertet hat. Bis zu diesem Zeitpunkt durfte die Beklagte im Blick auf die hergebrachte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darauf vertrauen, wegen einer Verwertung dieser Entwürfe nicht auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung in Anspruch genommen zu werden.

Der Bundesgerichtshof hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das zu prüfen haben wird, ob von der Klägerin entworfenen Spielwaren den geringeren Anforderungen genügen, die nunmehr an die Gestaltunghöhe von Werken der angewandten Kunst zu stellen sind.

Urteil vom 13. November 2013 – I ZR 143/12 – Geburtstagszug
LG Lübeck – Urteil vom 1. Dezember 2010 – 2 O 356/09
OLG Schleswig – Urteil vom 22. Juni 2012 – 6 U 74/10