Urheberrechtsreform

Das Gesetzespaket „zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts“ wurde gestern dem Bundestag zur Beschlussfassung vorgelegt. Es ist auch davon auszugehen, dass der Gesetzesentwurf in der vorliegenden Fassung beschlossen wird.

Mit diesem Gesetzesvorhaben wird die vor gut zwei Jahren auf den Weg gebrachte EU-Urheberrechtsreform in nationales deutsches Recht umgesetzt.

Dazu wurde bereits viel geschrieben. Insbesondere das Thema „Uploadfilter“ hatte die Gemüter erhitzt.

Einer der zentralen Punkte des Gesetzespakets ist die Frage, ob bzw. ab wann Plattformen für Urheberrechtsverletzungen haften. Dazu wird ein neues Gesetz geschaffen, dass „Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz“. Auch wenn dort das Wort „Uploadfilter“ nicht benutzt wird, so läuft es natürlich darauf hinaus, dass solche Filter vermehrt zum Einsatz kommen werden.

Bereits im Herbst im Rahmen einer Vortragsveranstaltung habe ich versucht, den damaligen, ersten Entwurf des Gesetzes in ein Schema zu fassen. Da Juristen Schemata lieben und sich nicht allzu viel geändert hat, habe ich mein damaliges Schema an die überarbeiteten Bestimmungen angepasst. Wer möchte, kann sich das entsprechende pdf von meiner Seite herunterladen. Da es sich um ein neues Gesetz handelt, erhebe ich natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit und vor allem auch Richtigkeit. Über Anregungen und Kritik freue ich mich.

Amazon-Händler haftet nicht für den Inhalt von Kundenbewertungen

In einem vom BGH (Urteil vom 20.02.2020, Az.: I ZR 193/18 – „Kundenbewertungen auf Amazon“) entschiedenen Fall ging es um eine Klage des Verbands Sozialer Wettbewerb gegen einen Händler, der auf Amazon sog. Kinesiologie-Tapes anbot und verkaufte.

Der Händler bot im Jahre 2013 seine Tapes mit diversen Werbeaussagen zur Wirkweise der Tapes an, die vom Verband Sozialer Wettbewerb abgemahnt wurden. Bezüglich einiger Aussagen verpflichtete sich der Händler zur Unterlassung und gab entsprechend eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ab.

Ca. vier Jahre später, im Januar 2017, bot der Händler auf der Plattform Amazon erneut seine Kinesiologie-Tapes an. Unter dem Angebot waren die bei Amazon üblichen Kundenbewertungen abrufbar. In manchen dieser Kundenbewertungen waren Äußerungen enthalten, zu deren Unterlassung sich der Händler seinerzeit im Jahre 2013 gegenüber dem Verband verpflichtet hatte.

Der Verband forderte nun vom Händler für die Äußerungen in den Kunden-Rezensionen eine erneute Unterlassungserklärung und darüber hinaus die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von EUR 4.500,00.

Dieses Mal weigerte sich der Händler und der Verband Sozialer Wettbewerb erhob Klage auf Unterlassung und Zahlung der Vertragsstrafe.

Nachdem bereits das Landgericht und auch das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen hatte, bestätigte der BGH im Revisionsverfahren die Klagabweisung.

Der BGH entschied, dass ein Händler nicht für Aussagen in den Kundenbewertungen einzustehen habe, wenn er sich diese nicht zu eigen mache.

Ein solches Zueigenmachen liege nur dann vor, wenn der Händler nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die Äußerungen der Kunden übernehme oder den zurechenbaren Anschein erwecke, er identifiziere sich mit dem Inhalt der Äußerungen.

Da Kunden-Rezensionen bei Amazon üblich sind und darüber hinaus auch ein großes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung solcher Kundenmeinungen bestehe, liege kein Zueigenmachen vor, weil der durchschnittlich informierte Verbraucher mit den Grundzügen des Bewertungssystems von Amazon vertraut sei und wisse, dass die dortigen Aussagen nicht vom Händler selbst getroffen worden seien. Es sei daher klar erkennbar, dass die Kunden-Rezensionen nicht Teil des Angebots oder der Werbung des Händlers seien, so der BGH.

Lediglich dann, wenn ein Händler selbst irreführende oder gefälschte Kundenbewertungen abgebe oder er für die Abgabe von Kundenbewertungen zahle, könne ihm eine Kundenbewertung selbst als Werbung zugerechnet werden. Da im vorliegenden Fall dies nicht ersichtlich sei, wurde die Klage in allen Punkten abgewiesen.

Die BGH-Entscheidung ist insoweit erfreulich, als dass sie klarstellt, dass sich ein Händler die Äußerungen von Kunden nicht zurechnen lassen muss. Eine gegenteilige Entscheidung hätte einen großen Aufwand für Händler bedeutet: ein Händler hätte dann regelmäßig die Bewertungen auf unzulässige Aussagen hin überprüfen müssen.

Darüber hinaus zeigt der Fall aber auch, wie problematisch die Abgabe einer Unterlassungserklärung gerade gegenüber einem Verband sein kann:

Der beklagte Händler hatte 2013 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Und gut vier Jahre später wurde er erneut vom Verband nun auch auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Anspruch genommen.

Dies zeigt, dass gerade solche Verbände ein großes Interesse an der Überwachung abgegebener Unterlassungs- und Verpflichtungserklärungen haben, weil sie daraus Vertragsstrafenansprüche generieren können. Dies spricht dafür, dass man gerade gegenüber einem abmahnenden Verband keine solche Unterlassungserklärung abgibt, sondern stattdessen eine Unterlassungsklage oder eine einstweilige Verfügung kassiert. Denn bei einem etwaigen Verstoß gegen ein Urteil oder eine einstweilige Verfügung muss man „nur“ ein Ordnungsgeld an die Staatskasse zahlen. Damit ist das Interesse des Verbandes, das Unterlassungsurteil zu überwachen, deutlich geringer als bei der Abgabe einer Unterlassungserklärung, weil die Vertragsstrafe in den Geldbeutel des Verbandes fließt.

BGH zu den Voraussetzungen einer Netzsperre

In einer Pressemitteilung vom 26.11.2015 berichtet der BGH über zwei Urteile, die an diesem Tag verkündet worden sind.

In beiden Fällen ging es um die Haftung von sogenannten Access-Providern. Bei Access-Providern handelt es sich um Anbieter von Internetzugängen, wie z. B. die Telekom, die auch Beklagte in einem der Verfahren war.

Es stellte sich die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Access-Provider zur Sperrung von Zugriffsmöglichkeiten auf Internetangebote in Anspruch genommen werden können. Gegenstand der Urteile ist also die schon seit langer Zeit viel diskutierte sogenannte Netzsperre.

Kläger der jeweiligen Verfahren waren zum einen die GEMA, zum anderen Tonträgerhersteller. Die Kläger machten jeweils geltend, dass auf Internetseiten von Filehostern bzw. Filesharing-Netzwerkbetreibern urheberrechtlich geschützte Werke illegal zum Download angeboten worden waren. Das Problem in solchen Fällen ist, dass die Rechteinhaber gegen die eigentlichen Betreiber der urheberrechtsverletzenden Seiten häufig nicht vorgehen können, weil diese ihre Seiten und ihre Internetdomains im Ausland hosten, so dass praktisch kein Zugriff für die Rechteinhaber besteht.

Fraglich war daher, ob die Rechteinhaber auch gegen den Access-Provider vorgehen können, so dass auf diesem Wege die rechtsverletzenden Seiten vom Netz genommen werden.

Das Problem einer solchen Netzsperre ist, dass hier das „Alles oder Nichts“-Prinzip gilt: Anders als bei einem Vorgehen z. B. gegen einen sogenannten Content-Provider (z. B. Facebook, eBay etc.) können hier nicht gezielt einzelne Inhalte vom Internetangebot entfernt werden, sondern es geht um „alles oder nichts“: Entweder verschwindet das gesamte Internetangebot oder es ist vollständig noch abrufbar.

Aufgrund dieser sehr weitreichenden Konsequenzen einer solchen Netzsperre wird ein solches Mittel vielfach abgelehnt. Auch die Vorinstanzen hatten die jeweiligen Klagen der Rechteinhaber abgewiesen.

Der BGH bestätigte nun diese Klageabweisungen zwar im Ergebnis.

Allerdings deutet der BGH in seiner Presseerklärung zumindest an, dass unter bestimmten, wenn auch sehr strengen Voraussetzungen solche Netzsperren möglich sind.

Eine solche Sperre kann nach Meinung des BGH angebracht sein, wenn das betreffende Internetangebot ausschließlich oder zum großen Teil aus urheberrechtsverletzenden Inhalten besteht, die Seite also fast ausschließlich den Zweck hat, illegal urheberrechtlich geschützte Inhalte zu vermitteln und wenn der Rechteinhaber auch vor Ort alles Erforderliche unternommen hat, um seine Rechte im Ausland durchzusetzen. Der BGH präzisiert seine Auffassung dahingehend, dass es auch ggfs. erforderlich ist, dass vor Ort die Behörden eingeschaltet, gerichtliche Schritte eingeleitet, Detekteien beauftragt werden etc. Sind diese Schritte erfolglos, kommt eine Netzsperre in Betracht.

Auch wenn die Voraussetzungen hoch sind: In seiner aktuellen Entscheidung hat der BGH die Netzsperre nicht grundsätzlich abgelehnt, so dass zumindest die Möglichkeit besteht, dass zukünftig ein Gericht zugunsten der Rechteinhaber entscheidet, falls die Voraussetzungen dafür vorliegen.

Zunächst müssen aber die vollständigen Entscheidungsgründe abgewartet werden, weil bislang nur die Pressemitteilung vorliegt. Darüber hinaus ist es auch denkbar, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) anders entscheiden wird, wenn dieser über Netzsperren zu befinden hat. Schließlich ist die Netzsperre auch ein viel diskutiertes Thema in der Politik, so dass ggfs. auch gesetzgeberische Entwicklungen noch folgen werden.

Pressemitteilung des BGH vom 26.11.2015