Urheberechtsverletzung durch eine Schule

Der BGH, Urteil vom 22.09.2021, Az.: I ZR 83/20 – „Uli Stein-Cartoon“ musste über einen typischen „Uli Stein“-Fall entscheiden: Ein Cartoon von Uli Stein wurde auf der Webseite einer Schule des Landes Baden-Württemberg von einem verbeamteten Lehrer im Rahmen eines Schulprojekts öffentlich zugänglich gemacht.

Die Agentur, die die Rechte an den Uli Stein Cartoons inne hat, mahnte deswegen ab. Der Schulleiter der betroffenen Schule gab eine Unterlassungserklärung ab, allerdings nur im Namen der Schule und nicht im Namen des Landes Baden-Württemberg.

Der klagende Rechteinhaber war der Meinung, dass ein Unterlassungsanspruch gegen das Land Baden-Württemberg bestehe. Das OLG Stuttgart hat den Unterlassungsantrag abgewiesen. Der BGH war anderer Meinung.

Im ersten Leitsatz der Entscheidung heißt es:

„Macht ein Lehrer im Rahmen der Informatik-Arbeitsgemeinschaft einer öffentlichen Schule, die sich mit der Erstellung der schulischen Internet-Homepage befasst, auf dieser Homepage einen der Auflockerung und Illustration dienenden Cartoon in urheberrechtsverletzender Weise öffentlich zugänglich, erstreckt sich die hierdurch begründete Wiederholungsgefahr regelmäßig auf alle öffentlichen Schulen im Verwaltungsbereich des in Anspruch genommenen Bundeslands.“

Mit anderen Worten:

Begeht ein Lehrer an einer Schule einen Fehler, besteht nach Auffassung des BGH die Gefahr, dass alle anderen Lehrer an Schulen des Bundeslandes ebenfalls denselben Fehler begehen werden.

In Rdnr. 38 f. führt der BGH dazu u.a. aus:

„Zu Unrecht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, der Umstand, dass die etwa 4.500 öffentlichen Schulen in Baden-Württemberg jeweils eigene, individuell gestaltete Internetauftritte betrieben, die nicht zentral und landesweit vom Kultusministerium gestaltet oder überprüft würden und für deren Betrieb es keine einheitlichen Rahmenbedingungen gebe, spreche gegen die Annahme, es bestehe Wiederholungsgefahr auch für andere Schulen im Verwaltungsbereich der Beklagten.

Die Annahme ist erfahrungswidrig. Wenn es – wie vom Berufungsgericht festgestellt – zutrifft, dass es im Geschäftsbereich des Kultusministeriums des Beklagten an einheitlichen Rahmenbedingungen fehlt, so folgt daraus, dass die Beachtung fremder Urheberrechte bei der Gestaltung schulischer Internetauftritte im Geschäftsbereich des Kultusministerium des Beklagten verwaltungstechnisch nicht sichergestellt ist. Dann aber schließt dieser Umstand nach der Lebenserfahrung nicht die Gefahr weiterer Verletzungshandlungen aus, sondern ist gerade aufgrund dieses Umstands mit weiteren Verletzungshandlungen an anderen Schulen zu rechnen.“

Eine Art „Sippenhaft“ für alle Schulen des Landes.

Ein weiterer praxisrelevanter Punkt des Urteils:

Der BGH hielt für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch einen Streitwert in Höhe von EUR 15.000,00 für angemessen, hinzu käme für den Auskunftsanspruch ein Wert von weniger als EUR 1.000,00, so dass bei der Gebührenrechnung die Wertstufe bis EUR 16.000,00 maßgeblich sei (Rdnr. 48).

Amazon-Händler haftet nicht für den Inhalt von Kundenbewertungen

In einem vom BGH (Urteil vom 20.02.2020, Az.: I ZR 193/18 – „Kundenbewertungen auf Amazon“) entschiedenen Fall ging es um eine Klage des Verbands Sozialer Wettbewerb gegen einen Händler, der auf Amazon sog. Kinesiologie-Tapes anbot und verkaufte.

Der Händler bot im Jahre 2013 seine Tapes mit diversen Werbeaussagen zur Wirkweise der Tapes an, die vom Verband Sozialer Wettbewerb abgemahnt wurden. Bezüglich einiger Aussagen verpflichtete sich der Händler zur Unterlassung und gab entsprechend eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ab.

Ca. vier Jahre später, im Januar 2017, bot der Händler auf der Plattform Amazon erneut seine Kinesiologie-Tapes an. Unter dem Angebot waren die bei Amazon üblichen Kundenbewertungen abrufbar. In manchen dieser Kundenbewertungen waren Äußerungen enthalten, zu deren Unterlassung sich der Händler seinerzeit im Jahre 2013 gegenüber dem Verband verpflichtet hatte.

Der Verband forderte nun vom Händler für die Äußerungen in den Kunden-Rezensionen eine erneute Unterlassungserklärung und darüber hinaus die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von EUR 4.500,00.

Dieses Mal weigerte sich der Händler und der Verband Sozialer Wettbewerb erhob Klage auf Unterlassung und Zahlung der Vertragsstrafe.

Nachdem bereits das Landgericht und auch das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen hatte, bestätigte der BGH im Revisionsverfahren die Klagabweisung.

Der BGH entschied, dass ein Händler nicht für Aussagen in den Kundenbewertungen einzustehen habe, wenn er sich diese nicht zu eigen mache.

Ein solches Zueigenmachen liege nur dann vor, wenn der Händler nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die Äußerungen der Kunden übernehme oder den zurechenbaren Anschein erwecke, er identifiziere sich mit dem Inhalt der Äußerungen.

Da Kunden-Rezensionen bei Amazon üblich sind und darüber hinaus auch ein großes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung solcher Kundenmeinungen bestehe, liege kein Zueigenmachen vor, weil der durchschnittlich informierte Verbraucher mit den Grundzügen des Bewertungssystems von Amazon vertraut sei und wisse, dass die dortigen Aussagen nicht vom Händler selbst getroffen worden seien. Es sei daher klar erkennbar, dass die Kunden-Rezensionen nicht Teil des Angebots oder der Werbung des Händlers seien, so der BGH.

Lediglich dann, wenn ein Händler selbst irreführende oder gefälschte Kundenbewertungen abgebe oder er für die Abgabe von Kundenbewertungen zahle, könne ihm eine Kundenbewertung selbst als Werbung zugerechnet werden. Da im vorliegenden Fall dies nicht ersichtlich sei, wurde die Klage in allen Punkten abgewiesen.

Die BGH-Entscheidung ist insoweit erfreulich, als dass sie klarstellt, dass sich ein Händler die Äußerungen von Kunden nicht zurechnen lassen muss. Eine gegenteilige Entscheidung hätte einen großen Aufwand für Händler bedeutet: ein Händler hätte dann regelmäßig die Bewertungen auf unzulässige Aussagen hin überprüfen müssen.

Darüber hinaus zeigt der Fall aber auch, wie problematisch die Abgabe einer Unterlassungserklärung gerade gegenüber einem Verband sein kann:

Der beklagte Händler hatte 2013 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Und gut vier Jahre später wurde er erneut vom Verband nun auch auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Anspruch genommen.

Dies zeigt, dass gerade solche Verbände ein großes Interesse an der Überwachung abgegebener Unterlassungs- und Verpflichtungserklärungen haben, weil sie daraus Vertragsstrafenansprüche generieren können. Dies spricht dafür, dass man gerade gegenüber einem abmahnenden Verband keine solche Unterlassungserklärung abgibt, sondern stattdessen eine Unterlassungsklage oder eine einstweilige Verfügung kassiert. Denn bei einem etwaigen Verstoß gegen ein Urteil oder eine einstweilige Verfügung muss man „nur“ ein Ordnungsgeld an die Staatskasse zahlen. Damit ist das Interesse des Verbandes, das Unterlassungsurteil zu überwachen, deutlich geringer als bei der Abgabe einer Unterlassungserklärung, weil die Vertragsstrafe in den Geldbeutel des Verbandes fließt.

Rückruf bereits ausgelieferter und mit wettbewerbswidriger Werbung versehener Produkte

Der BGH musste sich mit Frage befassen, ob ein Unternehmen, das wegen einer wettbewerbswidrigen Werbung eine Unterlassungserklärung abgegeben hatte, bereits ausgelieferte Ware zurückrufen muss, damit dieses Unternehmen nicht gegen die Unterlassungserklärung verstößt (BGH, Urteil vom 04.05.2017, AZ I ZR 208/15).

Der BGH urteilte, dass sich das Unternehmen zumindest um einen Rückruf bemühen muss.

Auch bei Wettbewerbsverstößen sei derjenige, der eine Unterlassungserklärung abgibt, nicht nur zur Unterlassung verpflichtet. Von dieser Pflicht seien auch Handlungen erfasst, die dazu notwendig sind, den wettbewerbswidrigen Zustand zu beseitigen.

Anders als die Vorinstanz entschied der BGH, dass der Abnehmer der mit der wettbewerbswidrigen Werbung gekennzeichneten Ware kein Erfüllungsgehilfe i.S.d. § 278 BGB des wettbewerbswidrig werbenden Unternehmens sei. Hätte der BGH dies, wie das OLG, bejaht, hätte dies zur Konsequenz gehabt, dass das betroffenen Unternehmen auch für das Verschulden des Abnehmers einzustehen hat, was eine sehr weitreichende Haftung nach sich gezogen hätte.

Allerdings bejaht der BGH die Pflicht des abgemahnten und zur Unterlassung verpflichteten Unternehmens alles dafür zu tun, dass kein Weiterverkauf der unlauter gekennzeichneten Ware möglich ist:

„Das OLG ist jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte aufgrund eigenen Fehlverhaltens haftet. Ist der Unterlassungsschuldner zur Vornahme von Handlungen verpflichtet, kann dies die Verpflichtung umfassen, auf Dritte einzuwirken, um diese zu einem Tun oder einem Unterlassen anzuhalten. Der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs hat zwar für das selbständige Handeln Dritter grundsätzlich nicht einzustehen. Er ist jedoch gehalten, auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt, einzuwirken, wenn er mit einem Verstoß ernstlich rechnen muss und zudem rechtliche oder tatsächliche Einflussmöglichkeiten auf das Verhalten der Dritten hat. Er ist verpflichtet, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf Dritte einzuwirken, soweit dies zur Beseitigung eines fortdauernden Störungszustands erforderlich ist.

Danach muss ein Schuldner, dem gerichtlich untersagt worden ist, ein Produkt mit einer bestimmten Aufmachung zu vertreiben oder für ein Produkt mit bestimmten Angaben zu werben, grundsätzlich durch einen Rückruf des Produkts dafür sorgen, dass bereits ausgelieferte Produkte von seinen Abnehmern nicht weiter vertrieben werden. Dasselbe gilt, wenn der Schuldner durch vertragliche Vereinbarung eine entsprechende Unterlassungsverpflichtung übernommen hat. Die Verpflichtung des Unterlassungsschuldners, bereits ausgelieferte und mit einer wettbewerbswidrigen Werbung versehene Produkte zurückzurufen, setzt nicht voraus, dass ihm gegen seine Abnehmer rechtlich durchsetzbare Ansprüche auf Unterlassung der Weiterveräußerung oder auf Rückgabe dieser Produkte zustehen.“

Mit anderen Worten:

Das Unternehmen hätte auf seinen Abnehmer zumindest einwirken müssen, dass dieser die unlauter gekennzeichnete Ware wieder zurück sendet oder zumindest die wettbewerbswidrige Werbung von der Verpackung entfernt bzw. diese überklebt. Weil dies nicht erfolgt ist, wurde das Unternehmen zur Zahlung einer Vertragsstrafe verurteilt.

Löschungspflicht nach abgegebener Unterlassungserklärung umfasst auch die Entfernung aus dem Google Cache

Das OLG Düsseldorf hat mit Urteil vom 03.09.2015, Az.: I-15 U 119/14, entschieden, dass derjenige, der eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgibt, verpflichtet ist, alles Erforderliche zu tun, damit eine Zuwiderhandlung unterbleibt.

Nach Auffassung des OLG gehört dazu auch, dass der Abgemahnte Dritte über die übernommene Verpflichtung informiert und entsprechende Anordnungen zur Sicherstellung der Einhaltung der Verpflichtung trifft und diese dann überwacht.  Dies umfasst nach Meinung des Gerichts auch die Löschung aus dem Google Cache:

„Der Beklagte war aufgrund der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 05.01.2012 auch verpflichtet, die Suchmaschine Google zur Löschung der streitgegenständlichen Einträge, auch aus dem Cache, aufzufordern.“

Die beanstandete Werbung war über den Google Cache weiterhin auffindbar, so dass das Gericht einen Verstoß und damit die Verwirkung einer Vertragsstrafe bejahte.

Dieses Urteil zeigt, wie sorgfältig derjenige agieren muss, der eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgibt und wie schnell eine Vertragsstrafe gezahlt werden muss, wenn nicht alles getan wird, um die Verletzungshandlung zu beseitigen. Dies wiederum kann dafür sprechen, dass es in manchen Fällen besser sein kann, keine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben und stattdessen eine einstweilige Verfügung gegen sich ergehen zu lassen.